LANDKREIS WÜRZBURG. Am Ende des Abends stand der spürbare Wille: Das Thema Inklusion soll im Landkreis Würzburg ab jetzt noch gezielter angegangen werden. Längst überfällig sei die Zusammenkunft der Beauftragten für Menschen mit Behinderung gewesen, so der Tenor, doch Corona hatte geplante Treffen in den vergangenen beiden Jahren verhindert. Künftig wolle man über die Gemeindegrenzen hinweg enger zusammenarbeiten, sich regelmäßig austauschen und mindestens zwei Mal im Jahr weitere Treffen anberaumen.
Erstmals seit Jahren fanden sich die Beauftragten für Menschen mit Behinderung der Kreisgemeinden in großer Runde mit dem Behindertenbeauftragten des Landkreises Würzburg Ernst Joßberger zum Austausch am Landratsamt Würzburg ein. Unter den ehrenamtlichen Fürsprechern befanden sich auch die stellvertretende Landrätin Christine Haupt-Kreutzer (Margetshöchheim), die Bezirksrätin und stellvertretende Behindertenbeauftragte des Bezirks Unterfranken Christine Feiler (Veitshöchheim) sowie die Bürgermeisterin von Tauberrettersheim Katharina Fries und Riedenheims Bürgermeister Edwin Fries. Julia Marschall vertrat das Team der Gleichstellungsstelle am Landratsamt.
Landrat Eberth: „Abbau von Barrieren – den realen und denen im Kopf“
Das Treffen war auch Landrat Thomas Eberth ein besonderes Anliegen, daher begrüßte er die Runde persönlich – und mit einem großen Lob. Mit der Entscheidung, sich als Beauftragter für Menschen mit Behinderung zu engagieren, hätten die Frauen und Männer eine Aufgabe übernommen, die der gesamten Gesellschaft zugutekomme. Beim Thema Inklusion gehe es nicht nur um Rollstuhlfahrer. Auch ältere Menschen, Eltern mit Kinderwagen und viele mehr würden vom Abbau von Barrieren profitieren. Vernetzung, wie an diesem Abend sei dafür elementar wichtig, um Wissen auszutauschen und Motivation zu tanken.
„Wir versuchen als Landkreis viel für die Inklusion zu tun“, betonte Eberth, „und daher unterstützen wir Sie bei Ihrem Engagement. Das Ziel für uns als Verwaltung ist es, einen anderen Blick auf die Dinge zu bekommen, Perspektive zu wechseln und die Sensibilität für die Belange von Menschen mit Behinderung zu erhöhen. Am Ende sind wir aber auf die Hilfe der Beauftragten für Menschen mit Behinderung angewiesen, wenn es um den Abbau von Barrieren geht – den realen im Alltag und denen im Kopf.“
Konkrete Maßnahmen: Gemeindesatzungen, Schulungen und Arbeitskreise
Die brennendste Frage für die gemeindlichen Beauftragten war allerdings: Wie stoße ich diesen Wandel ganz konkret in meiner Gemeinde, in meiner Stadt an? Kaum eine Gemeinde habe die Tätigkeiten der Behindertenbeauftragen etwa über eine Satzung in die Verwaltungsabläufe mit eingebunden. Oft werde man zu spät in Bauprojekte oder andere relevante Vorgänge eingebunden, lauteten die Erfahrungsberichte aus der Runde. Ein Beispiel aus Estenfeld bewies allerdings: Durch die Eingliederung beispielsweise in den Seniorenbeirat könnten die Behindertenbeauftragten an zentraler Stelle Rede- und Antragsrecht erhalten. Ernst Joßberger gab in seinem Vortrag darüber hinaus eine Vielzahl von nützlichen Tipps, stellte die rechtliche Grundlage für die Arbeit der Beauftragten vor
Behindertenbeauftragte in 36 von 52 Kreisgemeinden
Tatsächlich sei man beim Abbau von Barrieren in den Köpfen der Menschen noch lange nicht am Ende, bestätigte Ernst Joßberger. Sicher gebe es auch eine große Zahl hilfsbereiter Menschen. Es würden aber noch immer erschreckend viele Fälle aus dem Landkreis Würzburg an ihn herangetragen, in denen Personen mit Handicap im Alltag diskriminiert würden – sei es beim Einsteigen in den Bus, durch fehlenden Zugang zu öffentlichen Gebäuden und anderen Situationen.
Die stellvertretende Landrätin Christine Haupt-Kreutzer fügte hinzu: „Die Beauftragten für Menschen mit Behinderung arbeiten nicht nur an technischen Barrieren, sondern setzen sich vor allem auch dafür ein, die Barrieren in der Arbeitswelt und im gesellschaftlichen Umfeld zu vermindern. Das hilft, Hemmschwellen abzubauen und eine Teilhabe in allen Bereichen zu ermöglichen.“
Stolz zeigte sich Ernst Joßberger, dass inzwischen 36 der 52 Landkreisgemeinden, also rund zwei Drittel, die Stelle des Beauftragten für Menschen mit Behinderung besetzt hätten. Ein etwas düstereres Bild ergebe dagegen die Situation an den Bushaltestellen und Bahnhöfen: Von den 714 Haltestellen seien gerade einmal 223 barrierefrei erreichbar – ein Drittel davon. In 13 Gemeinden gebe es sogar keine einzige.
Ernst Joßberger nahm eine Reihe von Aufgaben für sich und die Verwaltung aus dem Treffen mit. Unter anderen sollen Strategien ausgearbeitet werden, wie man die Arbeit der Beauftragten regelmäßig in die Arbeit der Gemeindeverwaltungen – etwa über eine erlassene Satzung – einbinden kann.
Joßberger zeigte sich in Anbetracht der regen Beteiligung am Ende des Abends dankbar und motiviert. Allerdings machte er auch keinen Hehl daraus, dass die Aufgabe der Runde keine einfache sei. „Um dieses Umdenken fest in der Gesellschaft zu verankern, müssen wir noch viele dicke Bretter bohren“, versicherte Joßberger und erntete dafür entschiedenes Nicken aus der Runde.