STADT UND LANDKREIS WÜRZBURG. Der Auftakt ist gemacht: Mit einem ersten Dialogforum läuteten Stadt und Landkreis Würzburg die Entwicklung der gemeinsamen „Bildungsregion stadt.land.wü.“ ein. An dem breit angelegten Prozess beteiligen sich interessierte Bürgerinnen und Bürger, lokale Bildungsakteure und -akteurinnen sowie Politik und Verwaltung. Ihre Ideen für eine zukunftsweisende Bildungslandschaft fließen in ein Gesamtkonzept, mit dem sich Stadt und Landkreis Würzburg um das Qualitätssiegel „Bildungsregion in Bayern“ bewerben. Das Siegel vom Bayerischen Kultusministerium gilt als Gütezeichen einer Region mit passgenauen Bildungsangeboten für alle Generationen.
Rund 150 Interessierte waren der Einladung in die Mainfrankensäle in Veitshöchheim gefolgt, um sich über die geplanten Schwerpunkte der Bildungsregion und die weiteren Schritte zu ihrer Verwirklichung zu informieren. Ins Thema führte eine Gesprächsrunde zwischen Kultusstaatssekretärin Anna Stolz, Bildungsbürgermeisterin Judith Jörg, Landrat Thomas Eberth und der stellvertretenden Landrätin Christine Haupt-Kreutzer.
„Bildung ist Teamwork. Wenn alle Akteure vor Ort an einem Strang ziehen, ergänzen sich ihre Angebote bestmöglich und können sich gegenseitig bereichern“, erklärte Stolz die Bedeutung regionaler Bildungsnetzwerke. Die Zusammenarbeit sei zudem wichtig, um Bildungsangebote auch im ländlichen Raum vorhalten zu können, ergänzte Landrat Thomas Eberth. „Indem wir diesen Prozess vernetzt in Gang setzen, schaffen wir Begegnung und Austausch, um die Bildung vor Ort auf hohem Niveau und flächendeckend weiterzubringen.“
Und weil Bildung keine Verwaltungsgrenzen kennt, arbeiten Stadt und Landkreis Würzburg gemeinsam an der Weiterentwicklung ihrer Bildungslandschaft. „Natürlich beginnen wir nicht bei null. Wir haben eine hervorragende Hochschul- und Forschungslandschaft, beste Schulen und viele engagierte Bildungsträger. Dennoch gibt es Themen, wo wir noch besser werden wollen“, begründete Bürgermeisterin Judith Jörg die Initiative. Als Beispiel nannte sie die Inklusion von Menschen mit Behinderung sowie die Integration ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger. Warum sich Stadt und Landkreis gerade jetzt auf den Weg machen, Bildungsregion zu werden, erklärte stellvertretende Landrätin Christine Haupt-Kreutzer: „Die Erfahrungen aus der Corona-Pandemie haben gezeigt, wo wir noch nachbessern können. Anknüpfen sollten wir bei den digitalen Lernkompetenzen und dem Ausbau neuer Lernformen, zum Beispiel der Kombination von virtuellen und nicht-virtuellen Angeboten“. Diese Anstrengungen seien auch mit Blick auf den Arbeitsmarkt wichtig, denn mittlerweile habe sich der Fachkräftemangel bereits zu einem Arbeitskräftemangel ausgeweitet.
In der Region, aus der Region, für die Region
Auf die Region zugeschnittene Lösungen entstehen durch die Beteiligung möglichst vieler Bildungsakteure vor Ort. Tipps zur Partizipation in der kommunalen Bildungsplanung gab Alexander Kanamüller vom Deutschen Jugendinstitut. Entscheidend ist die Beteiligung der Praxis, also die Zusammenarbeit von Kindertagesstätten, Schulen und außerschulischen Bildungseinrichtungen, von Kommunen, der Jugendhilfe und Erwachsenenbildung bis hin zur Arbeitsverwaltung und der Unternehmen. Sie alle sind aufgerufen, Teil des Prozesses zu werden und in Arbeitsgruppen an den thematischen Schwerpunkten der Bildungsregion, den sechs „Säulen“, mitzuwirken. In ihnen läuft die Kernarbeit des Bewerbungsprozesses.
Sechs Säulen für ein tragfähiges Konzept
Weil Lernen fast immer und überall passiert, in der Schule, im Beruf wie in der Freizeit, kann Bildung nur als ganzheitlicher Prozess verstanden werden. Gelernt wird ein Leben lang und in allen Lebensbereichen. In den sechs Säulen, die die Bildungsregion tragen, spiegelt sich dieses breite Verständnis von Bildung wider:
Übergangsmanagement und Bildungspartnerschaften
Säule 1 und 2 widmen sich dem Übergangsmanagement sowie den Themen Netzwerke, Kooperationen und Bildungspartnerschaften. Unter der Leitung von Monika Kraft, stellvertretende Leiterin des Fachbereichs Jugend und Familie der Stadt Würzburg, ihrer Kollegin Daniela Schuster, Leiterin des Fachbereichs Schule der Stadt Würzburg und Klaus Rostek, Leiter des Fachbereichs Jugend und Familie am Landratsamt Würzburg sollen unter anderem Ideen für eine engere Verzahnung von Schule und Jugendarbeit gesammelt werden. Impulse möchte die Arbeitsgruppe auch bei der Weiterentwicklung der Ganztagsbetreuung setzen. „Kinder verbringen in der ganztäglichen Betreuung sehr viel Zeit. Deshalb wollen wir uns Gedanken machen, wie wir ihre Hobbys und gesellschaftliche Themen wie etwa den Klimaschutz dort besser unterbringen können“, gab Schuster einen Einblick in die Agenda der beiden Säulen.
Bildungsgerechtigkeit
Alle Talente in der Region zu fördern, ist das Ziel von Christine Haupt-Kreutzer und Zeynep Sen. Sie kümmern sich als Sprecherinnen der Säule 3 um die Bildungsgerechtigkeit. Stellvertretende Landrätin Christine Haupt-Kreutzer bringt dabei ihre Erfahrungen als Teamleiterin Ausbildung des Berufsförderungswerks (BFW) Würzburg ein. Ihr geht es um berufliche Perspektiven für Menschen mit Einschränkungen. Zeynep Sen kennt als Bildungskoordinatorin für Neuzugewanderte im Sozialreferat der Stadt Würzburg die Startschwierigkeiten, die Menschen mit Migrationshintergrund beim Einstieg ins Berufsleben häufig meistern müssen.
Ehrenamt und lebenslanges Lernen
Säule 4 steht für lebenslanges Lernen und generationsübergreifende Angebote. Im Team der Sprecherinnen haben sich Sabrina Hüttner und Sabine Steinisch von der VHS Würzburg, Kristin Funk aus dem Aktivbüro der Stadt sowie Katharina Scheller und Katharina Tillmann-Mörgenthaler von der Servicestelle Ehrenamt im Landkreis Würzburg zusammengefunden. „Nach dem Schulabschluss gibt es noch 60 Jahre oder mehr, die mit Leben und Lernen gefüllt werden wollen“, unterstrich Hüttner die Bedeutung von Bildungsangeboten in allen Lebensaltern. Da lebenspraktische Fähigkeiten und persönliche Kompetenzen vielfach in Vereinen und im Ehrenamt vermittelt werden, sieht der Säulenarbeitskreis seine Aufgabe auch darin, Ideen für die Gewinnung von jungen Menschen für das bürgerschaftliche Engagement zu entwickeln.
Gesellschaftlicher und demografischer Wandel
Säule 5 stellt sich den Herausforderungen des gesellschaftlichen und demografischen Wandels: Unter welchen Voraussetzungen können Bildungsangebote flächendeckend auch im ländlichen Raum besucht werden? Was führt zu mehr Vereinbarkeit von Familie und Beruf? Auf Vorschläge freuen sich die beiden Säulensprecher Steffen Deeg vom Sozialreferat der Stadt und Michael Dröse, Leiter der Stabsstelle Landrat und bis vor kurzem noch Regionalmanager im Landkreis Würzburg. Dröse erinnerte daran, dass Bildung ein entscheidender Standortfaktor für jede Region sei: „Wir müssen daran mitwirken, dass Bildungsangebote sichtbar, zugänglich, erreichbar und auch bezahlbar sind, um einen wichtigen Beitrag zur Fach- und Arbeitskräftesicherung zu leisten“.
Digitalisierung
Säule 6 „Bildung im digitalen Zeitalter“ vervollständigt das Gebäude der Bildungsregion. Säulensprecherin Claudia Ruhe, Sozialpädagogin am Kreisjugendamt, sieht ihre Aufgabe darin, Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung gleichermaßen in den Blick zu nehmen. „Ältere Menschen müssen nicht mehr ins Auto steigen, um Neues zu erfahren oder ihr Wissen weiterzugeben. All das kann Bildung im 21. Jahrhundert sein“, so Ruhe. Die Corona-Pandemie habe jedoch gezeigt, dass nicht alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen im digitalen Raum zuhause sind. Als Fachfrau für Medienerziehung weiß Ruhe zudem, dass digitale Bildung auch den verantwortungsvollen Umgang mit den neuen medialen Möglichkeiten meint.
Im Anschluss an die Vorstellung der sechs Säulen bot sich den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Dialogforums die Gelegenheit zum Austausch. Schnell füllten sich die Pinnwände an den einzelnen Säulentischen mit Ideen und Anregungen. Einig war man sich an jedem Tisch, dass der Bewerbungsprozess ein sinnvoller Schritt zur Stärkung der regionalen Bildungslandschaft ist.
Und so signalisierten am Ende des Dialogforums 150 grüne Kärtchen, dass sich Stadt und Landkreis Würzburg gemeinsam auf den Weg machen, Bildungsregion in Bayern zu werden.
Säulen starten in die Arbeitsphase
Noch im Mai nehmen die Säulenarbeitskreise ihre Arbeit auf. Die Ergebnisse fließen in das regionale Gesamtkonzept, das im Rahmen eines zweiten Dialogforums vorgestellt werden soll. Die Verleihung des Qualitätssiegels ist – nach erfolgreicher Prüfung durchs Kultusministerium – im Jahr 2024 geplant.
Die Mitarbeit in einem der Säulenarbeitskreise ist auch ohne die Teilnahme am ersten Dialogforum möglich. Weitere Informationen zur „Bildungsregion stadt.land.wü.“ unter https://www.stadt-land-wue.de/bildungsregion