Samstag, 14. Dezember 2024
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„Jeder Grabstein ist ein Denkmal“ – Sommer-Tour des Bezirkstagspräsidenten: Jüdisches Leben in Maßbach

MAßBACH. (hil) „Schon vor rund 700 Jahren lebten in Maßbach Jüdinnen und Juden. Das zeigt sich noch heute an vielen Stellen im Ort – sie prägen die Kultur bis heute nachhaltig“. Mit diesen Worten begrüßte Bezirkstagspräsident Erwin Dotzel im Rahmen seiner Sommer-Tour am Donnerstag (4. August) die Runde der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Er stellte dabei heraus, dass im Jahr 1817 fast jeder fünfte Maßbacher Jude war. „Eine beachtliche Zahl – und umso schrecklicher ist es, wenn man bedenkt, dass knapp 150 Jahre später kein einziger mehr in Maßbach lebte“, betonte Dotzel.

Der jüdische Friedhof markierte die erste Station der Sommer-Tour. Eine kurze Steintreppe führt zu einem verwitterten Tor. Efeu schlängelt sich um die Pfosten. Dahinter ist es wie ein Portal in eine andere Welt. Umgeben von dichtem Unterholz und knorrigen Bäumen, erhebt sich ein steiler Hügel, mit vielen – zum Teil von der Witterung angefressenen Grabsteinen. Auf vielen Gräbern liegen Steine – ein uralter Brauch, der auf die Zeit der Ägyptischen Gefangenschaft zurückgeht. Dadurch wurden die Verstorbenen in der Wüste vor Aasfressern geschützt.  In jedem Grab liegt nur eine Person: „es soll ein Haus für die Ewigkeit sein – und jeder Grabstein ist ein Denkmal“, so Dotzel.

Und um diese Häuser für die Ewigkeit auch zu erhalten, setzt sich der Bezirk Unterfranken für die Dokumentation aller Grabmäler ein. „Alle Grabsteine sollen fotografiert, die Epigraphik bearbeitet und dann in einer Datenbank erfasst werden“, so Bezirksheimatpfleger Prof. Klaus Reder. Dabei sei es wichtig, dass es eine landesweit einheitliche Software gibt – und keine Insellösungen, so Reder weiter. Am besten so schnell wie möglich. „Gerade in Zeiten des Klimawandels ist es wichtig, dass wir die Mazewot so zeitnah erfassen“, betonte Dr. Riccardo Altieri, der seit wenigen Wochen der Leiter des Johanna-Stahl-Zentrums in Würzburg ist. Die extremen Witterungsbedingungen setzten gerade den Gräbern aus Sandstein extrem zu, erklärte Altieri.

„Ein bisschen verrückt muss man schon sein“, scherzte Klaus Bub, Touristenführer aus Maßbach. Seit Jahrzehnten beschäftigt er sich – neben der Leitung des Heimatmuseums „Schrimpfsches Schloss Poppenlauer“ – mit der jüdischen Geschichte in seinem Heimatort. Das Bild von einem Mädchen mit zwei schlachtreifen Hühner auf dem Arm weckte sein Interesse. „Ich wollte unbedingt mehr erfahren – über das Bild und das Mädchen“. Und so stellte Bub 2008 erste Nachforschungen an und fand heraus, wer sie war. Es handelte sich um Nelly Eberhardt, eine Jüdin aus Maßbach, die noch rechtzeitig vor den Nazi-Schergen fliehen konnte. Sie starb 1990 in New York. Bub hatte sogar Kontakt zu ihren Nachfahren – seitdem ist seine Leidenschaft geweckt. Man spürt Bubs großes Engagement, wenn er Anekdoten aus seinem Heimatdorf erzählt.

Wenn Bub gerade mal nicht zur Verfügung steht, können sich Interessierte auch eigenständig via Audio-Walk über die Geschichte der Juden in Maßbach informieren. Auf einer App erwacht die Geschichte zweier fiktiver Mädchen zum Leben. Esther, eine Jüdin, und ihre beste Freundin begleiten die Zuhörerinnen und Zuhörer durch die Zeit von 1931 bis zur Pogromnacht 1938 und ihre Flucht. Möglich gemacht hat dieses einzigartige Projekt der Bezirk Unterfranken – eingespielt wurde die Story von zwei Schauspielerinnen, die im Theater Schloß Maßbach spielen, das ebenfalls seit vielen Jahren vom Bezirk Unterfranken unterstützt wird.

Dort endete dann auch die diesjährige Sommer-Tour. Bevor Dotzel an Anne Maar, Theaterleiterin in Maßbach, den Förderbescheid über 8.000,00 Euro übergab, überzeugten sich Dotzel, seine Bezirkstagskolleginnnen und Kollegen sowie die Journalisten vom neusten Projekt des Theaterteams. „Wir wollen mit unserer Bühne auf die Dörfer“, zeigte sich Maar begeistert. Wie das funktioniert? „Mit einer mobilen Bühne – wir bauen einen LKW um“, schwärmte Maar. Die verschiedenen Wände und Bühnen-Elemente werden von den Theater eigenen Schreinern gebaut. Auf einer Seite ist die Kulisse, auf der anderen eine kleine Tribüne, die über eine Hydraulik ausfgefahren wird. 30 Zuschauerinnen und Zuschauer werden darin Platz haben – und weil es ein geschlossener Raum sein wird, kann bei jedem Wetter gespielt werden.

Wenn die mobile Bühne einsatzbereit ist, will das Theater vor allem in Schulen und Kindergärten auftreten – weil sich für viele die lange Busreise nicht rentieren würde, betonte Maar. Dotzel zeigte sich von der Idee begeistert und freut sich schon darauf, wenn das Theater auf Tour geht.

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